Ausbildungsabbrecher – Tendenz steigt

Arbeit und Beruf

Für viele Jugendliche ist es schwer, sich auf einen Ausbildungsberuf festzulegen. Die Qual der Wahl. Zugegeben, es ist schwer, sich bereits mit 12, 14 oder 16 Jahren festzulegen, was man quasi bis zum Ende seines Lebens machen möchte.

Doch wir alle haben doch Wünsche, auch wenn sie sich letztendlich nicht erfüllen. So wollte ich zuerst Feuerwehrmann, dann Polizist und zuletzt Hotelbesitzer werden. Der letzten Vorstellung folgte eine Ausbildung zum Hotelkaufmann, brach sogar die Schule ab, obwohl ich kurz vorm Abitur stand weil Mittlere Reife als Grundlage für die Lehre genügte.

Heute, 30 Jahre später bin ich weder Hotel, noch Restaurantbesitzer, habe aber meine Erfahrungen vom Kellner bis zu leitenden Positionen vom Restaurantmanager bis zum Betriebsleiter einer Hotelkette gebracht.

Der Gastronomie habe ich aus familiären Gründen längst den Rücken gekehrt und bin mittlerweile als Teamleiter und Qualitätsmanager in der Logistikbranche tätig.

Mit meinen 52 Jahren gehöre ich noch zu der Generation, die in der Ausbildung noch die eine oder andere Ohrfeige des Lehrherrn kassiert hat. Dennoch ging es am nächsten Tag unverdrossen und guten Mutes wieder ans Werk. Dass Lehrlinge am Feierabend noch die Werkstatt oder den Laden fegten, während der Meister schon sein Feierabendbier genoss war zwar nervig und mit Meckerei verbunden, aber wir nahmen es hin, haben dennoch mit Freude und Elan unsere Arbeit erledigt und letztendlich mit guten Noten unseren Abschluss zum Gesellen gemacht.

Die Zeiten dass Lehrherren und Meister bzw. Ausbilder biersaufend Ohrfeigen verteilen sind Gott sei Dank lange vorbei.

Im Gegenteil. Heute bin ich selbst Ausbilder und muss mehr und mehr feststellen, das unsere Generation Z, wie man sie nennt, sich oft vehement gegen Arbeit wehrt.

Eine Ausbildung kann nur der erlangen, der auch einen entsprechenden Schulabschluss vorzuweisen hat. Scheinbar haben das immer weniger Jugendliche. Adäquate Azubis zu finden wird immer schwieriger. Selbst deutsche Muttersprachler sind kaum der deutschen Sprache mächtig und können beispielsweise 20 – 4 x 5 ohne Taschenrechner kaum lösen.

Bildung hat meiner Meinung nach auch etwas mit dem familiären und sozialen Hintergrund zu tun. Ein blödes Sprichwort sagt „Einmal Harz IV, immer Harz IV“. Nun, Harz IV gibt es nicht mehr, stattdessen das Bürgergeld, für das es sich durchaus lohnt, Überlegungen anzustrengen, dem Arbeitsleben zu entgehen.

Nach meiner Erfahrung sind es tatsächlich Menschen mit einem höherem Bildungshintergrund, die eine Ausbildung tatsächlich ungesehen von Höhen und Tiefen zu Ende führen. Sogenannte Abbrecher haben meist ein sehr niedriges Bildungsniveu, haben ihren Schulabschluss nur mit „Ach und Krach“ erlangt.

Dennoch gibt es Ausnahmen. Manche Jugendliche möchten nicht dem Beispiel ihrer sofasitzenden Eltern folgen und streben nach einer Aufgabe. Diese Motivation gilt es zu fordern und zu fördern.

Wir bieten beispieslweise in unserem Unternehmen die verschiedensten Ausbildungsberufe an. Interessierte Jugendliche können eine Ausbildung zu guten Konditionen erlangen. Sei es im Hinblick auf eine Übernahme nach der Ausbildung oder als Sprungbrett für eine Karriere bei anderen Mitbewerbern.

Die Ausbildungsvergütungen sind im Gegensatz zu früher durchaus schon eine Lebensgrundlage. Bafög oder andere Hilfen sind in Ergänzung zum Lehrlingsgehalt durchaus ausreichend, um sich bereits in jungen Jahren ein unabhängiges Leben in einer eigenen Wohnung zu ermöglichen, sofern man das möchte.

Dennoch ist es schwierig, die geplanten Ausbildungsstellen voll zu besetzen. Für 2022 hatten wir in meinem Zuständigkeitsbereich 12 neue Azubis geplant. Bei insgesamt ca. 100 Bewerbern konnten wir nach ersten Einstellungsgesprächen nur 8 berücksichtigen.

Davon haben vier ihre Ausbildung abgebrochen, da Schichtarbeit schließlich unzumutbar ist, die Arbeit zu anstrengend ist, zu schmutzig ist, etc.

Anmerkung: Die Spätschicht endet um 22:00 Uhr und ist somit auch mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz konform. Wir legen großen Wert auf die Einhaltung bestehender Arbeitsschutzgesetze. Für alle Mitarbeiter gibt es Pausenräume, kostengünstige Snacklieferanten, Küche mit Mikrowelle, Wasserkocher etc. für Selbstversorger, gratis Wasser und Kaffee. Es gibt sogar einen Kühlschrank mit abschließbaren Fächern für jeden Mitarbeiter. Kostenloses Duschen nach der Schicht gehört als meiner Meinung nach nicht selbstverständlich, zur Arbeitszeit.

Raucherpausen und der kurze Blick aufs Handy werden wohlwollend toleriert, sofern diese den Arbeitsablauf nicht gefährden. Um eine Weiterbeschäftigung in unserem Unternehmen zu gewärleisten, benötigt es also eigentlich nichts unzumutbares, wie es zum Teil vielleicht noch in anderen Unternehmen üblich ist. Dennoch ist die Anzahl der Azubi-Abbrcher mit knapp 50 Prozent gigantisch.

Abbrecher können meist keinen vernünftigen Grund für Ihre Entscheidung darlegen. „Ist nicht mein Ding“ oder „kein Bock“ sind wahrlich grundlegende und tiefsinnige Begründungen, denen es wohl keiner weiteren Hinterfragung bedarf.

Eine Ausbildung zu Ende zu führen, um sich mit dem Abschluss in der Tasche dann neu zu orientieren, kommt für die wenigsten in Frage.

Oftmals komme ich mit Kollegen aus anderen Unternehmen in Kontakt. Die Welt ist klein, besonders in unserer Region. Man kennt sich branchenübergreifend und spricht miteinander.

So erfahre ich, dass unsere Abbrecher anderweitig untergekommen sind und teilweise schon wieder das Handtuch geschmissen haben. Umgekehrt ist es jedoch genauso.

Um so lustiger, nein, eher fragwürdiger ist folgender Aspekt:

Wir bilden nicht nur aus, wir beschäftigen auch unzählige zufriedene Mitarbeiter. Es gibt nunmal zu besetzende Stellen, die eigentlich keiner machen möchte. Schmutzige Anlerntätigkeiten, für die es keiner Fachausbildung bedarf geben wir an Personaldienstleister weiter. Natürlich gehört es dazu, dass ein Lehrling alle Bereiche des Unternehmens kennenlernt und dort Tage oder Wochen verbringt.

Es kommt so tatsächlich vor, dass ich einen ehemaligen Azubi so als Hilfsarbeiter bzw. Produktionshelfer wieder unter meinen Fittichen habe.

Wie anfänglich erwähnt, ich bin 52 Jahre alt. Ich selbst habe zwei abgeschlossene Berufsausbildungen und selbst lange Zeit gebraucht, um in meinem Beruf meine Berufung zu finden.

Tatsächlich ist es heute noch so, dass ich keinem Mitarbeiter, ob Azubi oder Fachkraft, eine Arbeit zumute, die ich nicht selbst machen würde. Teilweise erledigen meine Mitarbeiter wichtige Aufgaben, von denen ich im Tagesgeschäft keine Ahnung habe. Ist Not am Mann, hänge ich Krawatte und Jackett auch gerne mal an den Nagel und bediene unsere Maschinen, entlade LKW usw. Back to the Roots macht manchmal eben auch Spass und bringt Nähe zu den Mitarbeitern.

Jeder sollte seine Chance haben. Heute habe ich einen 19 jährigen ehemaligen Ausbildungsabbrecher unseres Unternehmens, der derzeit als Produktionshelfer über Zeitarbeit bei uns tätig ist, beim Personaldienstleister abgemeldet.

Er erhält dafür bei uns einen unbefristeten Vertrag als Vorarbeiter, rückwirkend zum 01.06.23.

Wir mussten den Mitarbeiter sogar beim Zeitarbeitsunternehmen finanziell ablösen, aber der Junge ist im Gegensatz zu seiner Ausbildungszeit bei uns ein echter Hoffnungsträger geworden, auf den ich gerne bauen möchte. Eine echte Ausnahme.

An alle, die sich wegen unzumutbarer Ausbildungszustände beklagen ein Appell:

Seit 1991 bin ich Hotelkaufmann, 2003 habe ich aus familiären Gründen zum Informatikkaufmann umgeschult. Seit 2010 arbeite ich als Teamleiter in der Qualitätssicherung in der Logistikbranche. Nebenberuflich baue ich gerade mein eigenes Unternehmen auf, mit dem Ziel, dieses bis Ende 2023 zu einer Vollexistenz voranzutreiben.

Vor dem Lohn haben die Götter den Schweiß gesetzt, wie es so schön in einem Sprichwort heißt.

Ich habe lange gebraucht, um meinen Weg zu finden und bin immer noch dabei.

Mal ein paar Überstunden, ein Handyverbot während der Arbeitszeit, Kritik an deiner Arbeit, usw. sollte kein Grund für einen Ausbildungsabbruch sein. Ärger hat man zuweilen in jedem Job.

Wir brauchen gut ausgebildetes Personal in allen nur denkbaren Branchen.

Und nein, es geht auch mal 8 Stunden ohne WhatsApp, Facebook und TicToc.

Work-Life-Balance basiert nicht nur auf der Ebene des einheitlichen Wenig-Tun.

Vielmehr sind Leute gefragt, die etwas bewirken möchten. Über den Tellerrand schauen und auch an ihre Zukunft denken, statt Handydaddelnd ohne Perspektive in der Gegenwart zu versinken.

In den 1990ern und Anfang 2000 war Zeitarbeit eine gute Sache. Viele Menschen mit abgebrochener Ausbildung oder fehlendem Schulabschluss konnten sich mit iher Arbeit und ihrem Ehrgeiz beweisen, wurden vom Entleiher fest übernommen und haben ihre Karriere bis hin zum Teamleiter gemacht.

Heute ist das um einiges schwieriger geworden. Im Jahr 2018 wurde das Gesetz für Zeitarbeit verschlimmbessert, indem man Arbeitgeber verpflichtet hat, Zeitarbeiter nach einer dauerhaften Tätigkeit von 18 Monaten zu übernehmen. Klingt in der Theorie gut, in der Praxis werden die meisten Kräfte jedoch vor Ablauf der 18 Monate abgemeldet, leider auch in unserem Unternehmen, worauf ich bis auf meine Abteilung keinen Einfluß habe.

Weitere Artikel zu diesem Thema folgen in Kürze, u.a.

  • Macht Zeitarbeit heutzutage noch Sinn?
  • Bürgergeld vs. Arbeit zum Mindestlohn
  • Hilfen für junge Menschen, die ihre Ausbildung fernab von zuhause machen möchten / müssen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert